//Erst das Problem richtig verstehen, dann Lösungen entwickeln: Lessons learned nach einem Jahr MADAM

Erst das Problem richtig verstehen, dann Lösungen entwickeln: Lessons learned nach einem Jahr MADAM

2020-04-08T14:03:49+02:006. Februar 2020|

Der vielfach diskutierte Fachkräftemangel trifft kommunale Betriebe besonders stark. Sie können in der Regel nicht mit hohen Gehältern aufwarten. Umso wichtiger ist es, attraktive Arbeitsbedingungen für Beschäftigte zu schaffen. Die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) haben sich mit dem Projekt „Mobile Arbeit wird digital, digitale Arbeit wird mobil“ (kurz: MADAM) auf den Weg gemacht, die Digitalisierung zu nutzen, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern – nicht nur im Sinne zukünftiger Fachkräfte, sondern auch für die bestehende Belegschaft.

Konkret geht es darum, die Kommunikation und Partizipation des Fahrpersonals zu verbessern (Mobile Arbeit wird digital) und die Möglichkeit zum orts- und zeitflexiblen Arbeiten für Beschäftigte des administrativ-kaufmännischen Bereiche zu erweitern (Digitale Arbeit wird mobil). Die Voraussetzung hierfür ist die Befähigung von Beschäftigten und Führungskräften gleichermaßen (Führung & Qualifizierung).

Gearbeitet wird mit der Design-Thinking-Methode, die die Beschäftigten zu Analytikern, Ideengebern und Mitgestaltern macht.

Der Prozess 2019: vom Problemraum zu praktikablen Lösungen

Die Besonderheit des Projekts MADAM liegt nicht nur darin, Beschäftigte aktiv mit einzubeziehen, sie sollen auch das notwendige methodische Knowhow lernen und einbringen können. Daher wurden Anfang 2019 interessierte Beschäftigte zu Design-Thinking-Moderatoren ausgebildet.

In der ersten Phase „informieren und verstehen“ ging es darum, die Beschäftigten betriebsweit über das Vorgehen und die Zielstellung des Projekts zu informieren und für die Projektteilnahme zu werben. Hierfür wurden nicht nur zahlreiche persönliche Gespräche geführt, es wurde auch eine Roadshow auf Betriebshöfen durchgeführt. Die anschließende Phase des Verstehens hatte zum Ziel, ein gemeinsames Verständnis über die Design Challenge herzustellen und die für die Fragestellungen zentralen Kernzielgruppen zu identifizieren.

In der zweiten Phase „beobachtenstand die intensive Beschäftigung mit der Kernzielgruppe im Mittelpunkt. Hierfür wurde die aktuelle Arbeitssituation der Zielgruppe mit Hilfe teilnehmender Beobachtungen analysiert. Anschließend sollten die für die Fragestellungen zentralen Bedürfnisse der Zielgruppe über Beschäftigteninterviews identifiziert werden. Experteninterviews ergänzten die Erkenntnisse um die Sicht betrieblicher Stakeholder wie Geschäftsführung, Konzernbetriebsrat, Personal, Datenschutz, IT, Ausbildung und Gesundheitsmanagement.

In der dritten Phase „Sichtweise definieren“ müssen alle bisherigen Ergebnisse zusammengetragen, geclustert und der jeweiligen Design Challenge entsprechend priorisiert werden. Ziel ist es, zu entscheiden, welche Themen weiterbearbeitet und für welche Probleme Lösungen entwickelt werden sollen. Am Ende dieser Phase stehen sogenannte „Insights“ (Einsichten), die das Problem und die dahinter liegenden Bedürfnisse auf den Punkt bringen, und „Personas“, fiktive Charaktere, die archetypisch die verschiedenen Eigenschaften von Nutzer*innen bündeln und teilweise überspitzt darstellen (siehe folgende Abbildung). Diese basieren auf den Informationen, die in den vorangegangenen Phasen gesammelt wurden und bilden die Grundlage für die Entwicklung erster Ideen.

Beispiel Persona: „Markus“

2020 wird der Problemraum entlassen und wir betreten mit der vierten Phase „Ideen entwickeln“ den Lösungsraum. Aufbauend auf den Erkenntnissen der ersten drei Phasen sollen nun Ideen zur Lösung der identifizierten Probleme entwickelt werden.

Die Erfahrungen: Neue Wege zu gehen, erfordert Mut

Das Projekt ist gut angelaufen und es konnten engagierte, offene und interessierte Beschäftigte als Projektteilnehmer*innen gewonnen werden. Die Zusammenarbeit mit Kolleg*innen anderer Abteilungen und die Einblicke in andere Unternehmensbereiche werden als sehr positiv und bereichernd wahrgenommen. In der Folge kam die externe Evaluation unter anderem zu dem Ergebnis, dass Beschäftigte, die sich am Projekt MADAM beteiligen, zufriedener sind. Besonders gut schneiden dabei Beschäftigte ab, die im Rahmen des Projekts beobachtet oder interviewt wurden. Insgesamt steht der Fahrservice dem Projekt jedoch kritischer gegenüber als Beschäftigte anderer Bereiche.

Aber natürlich blieben auch Schwierigkeiten nicht aus. Diese waren vor allem mit der ungewohnten Arbeitsmethode des Design Thinking verbunden, die sich sehr von „traditioneller“ Projektarbeit unterscheidet, mit vielen Unsicherheiten verbunden ist und den Einzelnen stärker in die Verantwortung nimmt. Das führte zu einem hohen Kommunikations- und Abstimmungsbedarf.

Lessons learned

Aus den Erfahrungen geht hervor, dass es für die Projektbeteiligten wichtig ist, sich intensiv mit den auftretenden Gefühlen der Unsicherheit zu beschäftigten. Ziel ist es, Unsicherheit als normalen Bestandteil des Prozesses akzeptieren und damit umgehen zu können. Im Projekt wurde daher im Rahmen von drei Workshops thematische Impulse zum Thema „Change Management“, „New Work“ und „Agilität“ gegeben.

Gleichzeitig muss sich der Einzelne mit seinen durch das Projekt ausgelösten Emotionen wie Unsicherheit, Enttäuschung, Ungeduld etc. beschäftigen. Für einen konstruktiven Umgang mit Emotionen ist es wichtig, die eigenen Gefühle im Projektteam zu kommunizieren, um sich nachvollziehbar für andere zu machen. Erst dadurch wird es möglich, sich in der Gruppe gegenseitig zu unterstützen. Ein zentrales Instrument hierfür ist die Retrospektive, die zu Beginn und Ende eines gemeinsamen Workshops steht. Die Teilnehmenden erzählen wie es ihnen mit dem Projekt geht, was gut läuft und wo sie Probleme sehen. Sie entscheiden dann, ob sich an der bisherigen Vorgehensweise etwas ändern soll und probieren neue Methoden aus. Auch andere Teambuildingmaßnahmen wie die gemeinsame Aufstellung eines Wertekatalogs können hilfreich sein und sind für ein agiles Mindset unabdingbar. Hier ein Beispiel aus dem Projekt:

Die Evaluation erbrachte unter anderem, dass das Projekt bisher noch nicht in allen Bereichen gleichermaßen bekannt ist. Dies ist jedoch eine wesentliche Voraussetzung für die Akzeptanz möglicher Lösungen. Daher sollen im verbleibenden Projektzeitraum die Projektvision und
-ergebnisse regelmäßiger in den Betrieb kommunizieren werden, um die Beschäftigten über den Projektstand auf dem Laufenden zu halten. Eine Maßnahme hierfür sind die für Februar 2020 geplanten Dialogforen, die – ähnlich wie die Roadshows zu Beginn des Projekts – an zentralen Standorten der LVB durchgeführt werden.

Autorin: Ines Roth, INPUT Consulting
https://www.input-consulting.de