Interview mit Antje Fiolka-Eichler (MADAM Projektmitglied)
Ist bei den Leipziger Verkehrsbetrieben tätig im Bereich: Infrastruktur, Akzeptanzmanagement für große Infrastrukturprojekte (seit 2015)
Beschäftigt sich im Projekt MADAM mit der Fragestellung:
Fahrgast sieht, was Fahrer siehtPersönliches Motto:
Bleib neugierig
Was machst du bei den Leipziger Verkehrsbetrieben (LVB) und wie lange bist du schon dabei?
Ich bin seit 2002 bei der LVB und war dort in unterschiedlichen Funktionen tätig. Seit fünf Jahren bin ich zuständig für Akzeptanz in der Öffentlichkeit bei großen Infrastrukturprojekten. Da geht es ganz viel um Kommunikation und Dialog – darum, Verständnis bei Betroffenen für das Warum und für die meistens recht umfangreichen Einschränkungen zu erreichen.
Mit welchen Themen beschäftigst du dich momentan in MADAM?
In unserem Teilprojekt geht es um die Gruppe „Fahrpersonal“, ganz konkret um das Bedürfnis nach Wertschätzung und Respekt der Fahrgäste gegenüber den Fahrerinnen und Fahrern. In die Rolle eines Fahrgastes hineinversetzt, haben wir uns gefragt: Wie kann ich etwas wertschätzen, was ich nicht sehe bzw. positiv wahrnehme? Die Fahrer*innen sind in ihren Straßenbahnen und Bussen ja nur eingeschränkt sichtbar und werden kaum wahrgenommen.
Der Ansatzpunkt unserer Überlegung ist daher, wie wir unsere Fahrer*innen „sichtbarer“ und deren Arbeitssituationen „erlebbarer“ machen können, damit sie mehr Wertschätzung von den Fahrgästen erfahren.
Wo steht ihr aktuell? Was läuft gerade gut? Wo habt ihr Probleme?
Momentan befinden wir uns in der Phase „Prototyping“. Hier verfolgen wir zwei Lösungsansätze, die zum Ziel haben, das Geschehen rund ums Fahren transparenter zu machen. Frei nach dem Motto „ich sehe was, was du nicht siehst“ möchten wir gerne Bilder vom Straßengeschehen in die Straßenbahnen bringen, um beispielsweise die Gründe für Verzögerungen sichtbar zu machen. Vielleicht steht ein Falschparker oder ein Paketbote im Weg, das sieht der Fahrgast in der Regel nicht und macht vielleicht sogar gedanklich den Fahrer verantwortlich. Der zweite Ansatz ist, die Fahrerinnen und Fahrer zu motivieren, öfter das Mikrophon in die Hand zu nehmen und selbst eine Durchsage zu machen – und wenn es nur ein „Guten Tag“ ist. Das macht den/die Fahrer/in menschlich, sympathisch, authentisch. Wir wollen deutlich machen, dass da vorne kein Roboter sitzt. In unserem Team arbeiten auch drei Fahrer mit und ich bin wirklich begeistert, wie stark sie sich einbringen und engagieren. Leider ist es ziemlich schwierig, gemeinsame Termine zu finden, nicht zuletzt erschwert auch durch die unterschiedlichen Dienste.
Du hast bei der Prototypenentwicklung die Rolle des „Product Owners“. Was bedeutet das? Was sind deine Aufgaben?
Die Phase des Prototypings durchlaufen alle Projektteams in MADAM entlang der Scrummethode. Ich als Product Owner muss die Anforderungen des Produkts im Auge behalten. Konkret bedeutet das immer wieder zu reflektieren, ob wir die von den Fahrerinnen und Fahrern geäußerten Bedürfnissen ausreichend berücksichtigen. Zu meinen Aufgaben gehört es zudem, gemeinsam mit dem Team die zu erledigenden Aufgaben zu definieren und Prioritäten zu setzen. Ich behalte beispielsweise auch die Stakeholder im Blick und überlege, an welchen Stellen wir sie einbeziehen müssen. Wir führen zudem viele Gespräche mit andere Abteilungen, die wir für die Verwirklichung unserer Ideen brauchen. Da müssen wir teilweise sehr viel Überzeugungsarbeit leisten.
Wie findest du Design Thinking als Methode?
Der größte Vorteil von Design Thinking ist für mich, dass sich ein interdisziplinäres Team zusammenfindet. Mich überrascht es immer wieder aufs Neue, wie schnell man gemeinsam Lösungen entwickeln kann – selbst wenn man die Zeit vom Tagesgeschäft abzwacken muss. Für die Fahrerinnen und Fahrer ist das natürlich besonders schwierig, die müssen freigestellt und vertreten werden – und das bei einer relativ dünnen Personaldecke. Das ist schon eine Herausforderung. Manchmal denke ich, es wäre gut, auch externe Teilnehmer einzubinden. Wir sind intern doch an vielen Stellen betriebsblind oder bremsen uns selbst schon von vornherein durch unser bürokratisches Hintergrundwissen aus.
Hat sich durch Corona viel geändert im Unternehmen?
Ich denke ja. Zum einen ist der Zugang zur Technik für virtuelle Meetings und im Home Office leichter geworden. Zum anderen hat sich auch das Bewusstsein der Mitarbeiter*innen verändert. Wir haben gelernt, dass wir uns gegenseitig Vertrauen können und dass die Aufgaben erledigt werden, auch wenn wir uns nicht jeden Tag sehen. Aber wir wissen jetzt auch den sozialen Kontakt bei der Arbeit viel mehr zu schätzen. An Problemen gemeinsam zu arbeiten, sich zu verschiedenen Themen auszutauschen und einfach auch zu wissen, was es Neues im Unternehmen gibt, ist auch ein wichtiger Teil unserer Arbeit.
Ihr habt im Projekt unterschiedliche agile und kreative Methoden ausprobiert. Kannst du dir eine LVB vorstellen, in der alle agil arbeiten?
Ich wünsche es mir, aber ich kann es mir nicht vorstellen. Dieses flexible Arbeiten, schnell handlungsfähig zu sein, sich selbst zu organisieren, kann ich mir bei Projekten ganz gut vorstellen, aber nicht unbedingt in der täglichen Arbeit. Dazu braucht es zum einen ein modernes Arbeitsumfeld, zum anderen natürlich ein hohes Vertrauen in die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hier sehe ich tatsächlich die größten Herausforderungen.
Ein aktuelles Beispiel: wir haben im Projekt eine Möglichkeit gesucht, unsere Arbeitsaufgaben in einem gemeinsamen Tool für alle zugänglich zu machen. Das ist uns bisher nicht gelungen, weil Verwaltung und Fahrpersonal unterschiedliche Zugriffsrechte haben. Oder auch die Suche nach Arbeitsräumen ist schwierig und nur mit einem Vorlauf von mindestens drei Wochen erfolgreich. Spontane Treffen zur kurzen Abstimmung sind da schwierig. Das war auch vor Corona schon so.
Wie geht’s weiter?
Unsere nächste Aufgabe besteht darin, unsere Lösungsansätze zu verfeinern, zu visualisieren und schließlich einen kleinen Prototypen zu bauen. Wir haben zudem die ersten Stakeholder zu unseren Workshops eingeladen, um mit ihnen unsere Ideen zu diskutieren und ein Feedback zu erhalten, ob wir die richtige Richtung eingeschlagen haben. Im nächsten Schritt werden wir auf unsere Zielgruppe zugehen und testen unsere Prototypen. Bin schon sehr gespannt, was da raus kommt.